Reiner Bonack (in: Sommergras95)

Asche fahren

Gern fuhr ich mit Großvater zum Schwarzen See vor der Stadt. Wir zogen die hintere Wand des Handwagens heraus. Eine rostbraune Lawine ging ab in die Tiefe. Blauer, beißender Qualm stieg und trieb über den Steilhang durch die ergraute, mannshohe Baumgruppe am Rand.

Wie Heimkehrer
standen die Krüppel
der kleinen Kiefern am Weg.

Am Horizont, im Dunst, riesigen Schiffen gleich, flimmerten die Fabriken, Schlote zogen zerfasernde Fahnen, und man konnte von fernen Ländern träumen, Orten mit magischen Namen: Finsterwalde,
Schwarzheide, Kostebrau, Klettwitz …
Wagte ich einen Schritt nach vorn, sah ich verbeulte Öfen, verbogene Räder, Reifen, Gestelle von Betten, Kinderwagen; der gebrochene Flügel einer Fliegerbombe stak noch im Schlamm.
Am anderen Ufer spien ockerfarbene Adern dunklen Sud unter die ölige, schwarze Haut.
Manchmal, wie verbrannter Schnee, wehte verkohltes Papier in die graslose Weite, nicht mehr lesbar die Botschaften besseren Lebens.
War irgendwo Herbst, streifte kein Schatten fliegender Vögel die Fläche.
Im Winter, der See ruhte still, fuhren wir manchmal an ihm vorbei nach Marga, zur Fabrik, Kohle holen.
Nie war der See jemals zugefroren gewesen und zu Geburtstagen wollte ich nie eine Angel.

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Erscheinungsjahr: 2011

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