»Hören Sie…«, ein längerer Aussetzer macht das ohnehin schwierige Auslandstelefonat fast unmöglich. Ich blicke aus dem Auto auf die vorbeiziehenden Ölförderpumpen bei Odessa, wobei mir auch in den Sinn kommt, daß der kleine Ort in der Romanvorlage zur verfilmten Gaunerkommödie »Schnappt Shorty« erwähnt wurde. Land und Himmel waren grau.
»Okay, Steueridentifikationsnummer … nun für alle in Deutschland Gemeldeten? – Sind wir doch schon lange nicht mehr. Wir leben hier in den USA. – Klar, begriffen: Alle natürlichen Personendaten wie Name, Anschrift, Geschlecht, Geburtstag und -ort, Einkommen, das von Geburt an, neuerdings mit der Tax-Identification-Nummer verbunden. – Ja-a–aa-ber … und jetzt wollen Sie unsere hiesige … verwechseln S…«
Wir passieren das Ortseingangsschild des Fleckens; mein Mann fährt langsamer.
»Aha, reibungslose Transparenz für alle Behör… – und der Datenschutz?« Am anderen Ende ein schwaches Rauschen.
An der Windschutzscheibe
mein Kopf – vor uns
die einzige Ampel rot.
Wir biegen auf die 385, die die Autobahn 20 mit der 10 verbindet. Die Schnellstraße wird schnell zu einer brüchigen Landstraße, deren Ränder hin und wieder verfallene Häuser und braune Äcker säumen. In Fort Stockton, einer kleinen Siedlung mit etwas Leben und mehr Geschichte, halten wir zum Tanken und zum Kaffee.
Die 385 schlängelt sich die letzten 250 Kilometer durch erstaunlich grüne Wüstenlandschaft entlang der schwarzbraunen und rötlichgelben Gebirgskette der Glass Mountains. Das Radio spuckt sein »Felice Navidat« nur noch in Tonbrüchen. Es ist bald soweit. Über uns erstreckt sich noch weit der Himmel. Wir erreichen den Big-Bend-Nationalpark mit seinem Chisos-Gebirge und, etwas weiter ab, dem Rio Grande, der natürlichen Grenze zu Mexiko. Am nächsten Morgen wandern wir mit dem ersten Licht – Überlebenswichtigstes auf dem Rücken, schweres Schuhwerk an den Füßen – in dieses zerklüftete Hinterland
zur heiligen Nacht
Gras in der Felsennische
ein stilles Lager