Horst Ludwig (in: Sommergras84)

Ernst

Als wir uns damals kennenlernten, in einer katholischen Schule, wo von der Besatzung wenigstens Religionsunterricht schon wieder erlaubt war, da lachten wir darüber, daß wir am gleichen Tage geboren waren, ich im fernen Oberschlesien, er in Braunschweig, wohin uns die Flucht vor der Sowjetarmee verschlagen wir noch so manche Stunde zusammen in Jugendgruppen und bei Kulturveranstaltungen, die meist mit Sprache zu tun hatten, Dichterlesungen, Vorträgen übers Englische, über Dialekte, solches. Wir studierten dann sogar beide Germanistik, aber an verschiedenen Universitäten und mit verschiedenen Zweitfächern. Lange wußte ich dabei gar nicht, daß er an meinem Gymnasium Studienrat geworden war. Doch als ich kürzlich mit meinen Töchtern Braunschweig besuchte, um ihnen Lessings Grab und anderes Wichtige aus meiner Jugend zu zeigen, erfuhr ich, wo er
wohnte, und wir trafen uns auf paar Stunden wieder. In denen führte er uns durch sein Braunschweig, – von dem ich vieles gar nicht kannte. Er hatte nie geheiratet, »keine Zeit«, wie er’s ausdrückte. Google ließ mich noch wissen, daß er wegen besonderer selbstloser Dienste fürs gemeinsame Leben zum Neujahrsempfang des Bundespräsidenten eingeladen worden war. Dazu habe ich ihm dann noch gratuliert. Jetzt schreibt mir sein Bruder, daß er »viel zu früh« verstorben sei.

Wild heult mir der Wind
über die nackte Prairie
eisig ins Gesicht.

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Erscheinungsjahr: 2009

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