Und wie sie so vor ihrem Glas sitzt und von früher erzählt. Von der Flucht aus Schlesien, gemeinsam mit vier Geschwistern und dem Knecht. Sie mit drei Jahren die Jüngste, und auch der Bursche erst 14. Wie die Kugeln pfiffen und die Tornister durchschlugen. Wie sie das Münsterland erreichten, bei fremden Leuten waren auf deren Hof: Das sollten Verwan Zu essen gab es nicht viel, Arbeit aber mehr als genug. Schlechte Nachrichten auch. Vor allem die, dass der Vater den Hungermarsch nach Sibirien nicht überlebt habe. Da habe sie das Pferd genommen, das ihnen nicht gehörte: Stern hatte sie es genannt. Und auf Stern ritt
sie fort, den Vater zu suchen. Bestimmt würde er auf sie warten. An diesem Wolgastrand.
Als die Mutter wieder heiratete, kam sie zu Bekannten, die keine Kinder hatten. Die seien ein rechter Segen gewesen und hätten sehr darauf geachtet, dass sie genug aß und gescheite Anziehsachen bekam. Sogar Mittlere Reife durfte sie machen – und war von da an für ihre Familie „die aus der Stadt“.
Die Halbwaisenrente blieb zu Hause, aber: Sie durfte Krankenschwester werden. Die Pflegeschule war eine so schöne Zeit. Auch
wenn sie nie mitging zum Eisessen. Aber ihr Freund, der nahm Rücksicht. Sie haben geheiratet, sie bekam zwei Kinder. Bald arbeitete sie wieder im Nachtdienst: neun Tage im Hospital, fünf Tage Zeit für Haus und Garten. Ihr Mann starb, bevor sie die Rente durch hatte. Und jetzt erzählt sie stolz von ihren Enkeln und davon, dass sich ihre Tochter und ihr Sohn so intensiv um ihre Familien kümmerten.
Nein, keine Blume.
Das möge sie am liebsten.
Richtiges Leckbier