Mir schräg gegenüber im 4. Stock des Hinterhof-Hauses wohnte eine Frau. Ganz allein. Sie beobachtete aufmerksam das Leben im Hof. Und auch meines.
die Nachbarin
schaute in mein Zimmer
zählte alle Spinnen
Aber sie nahm auch Anteil an meinen schönen Stunden. Saß ich mit meinen Freunden auf dem Balkon, winkte sie uns freundlich zu. Pflegte ich die Blumen, nickte sie zustimmend. Hängte ich die Wäsche auf, tat ich dies sorgfältig, denn sie hängte sie immer akkurat auf. Abends erfreute sie sich an der Lichterkette, die ich draußen angebracht hatte.
Auch ich nahm an ihrem Leben teil. In schlaflosen Nächten schaute ich auf ihre Fenster. Spät noch flackerte hinter ihnen Licht. Sie schaute gerne TV. Und so konnte ich abschätzen, welche Uhrzeit es war.
Vor einiger Zeit sah ich kein Licht mehr bei ihr brennen. Bald waren die Gardinen abgehängt, durch die leeren Fenster konnte man in dunkle Räume sehen. Sie war ausgezogen.
Doch immer noch, wenn ich den Balkon betrete, halte ich Ausschau nach ihr. Ich vermisse sie, die Nachbarin, mit der ich nie ein Wort sprach.
im Hinterhof
Lebenszeichen
wortlos