Stundenlang hatte sich das Gewitter gewaltig über dem Lago Maggiore ausgetobt und ließ uns im Obergeschoss des Rustico nicht zur Ruhe kommen. – Als endlich wieder Stille einkehrte, trat ich auf den Balkon der Casa Ingo hinaus und sah erneut nach allem Dunst und Wolkenspektakel die tausend farbigen Lichter Locarnos von jenseits des Sees wie Edelsteine herüberfunkeln.
Schemenhaft zeichneten sich die Koniferen und das Weinlaub (mit der Verheißung des samtigen Tessiner Rotweins, Merlot genannt!) vor dem tintenblauen Himmel ab.
Hermann Hesse und sein Loblied auf ein Grotto in Gedichtform (das heißt auf einen jener urtümlichen Tessiner Weinkeller) streiften meine Gedanken für Sekunden:
»Farnkraut am Wege duftet scharf und strenge,
Schon wird im Holz der Siebenschläfer wach,
Die erste Fledermaus jagt durchs Gestänge
Gekreuzter Äste ihrem Raube nach …«
Da war etwas Fernes, Undefinierbares – ein Geräusch, das (verdoppelt im Ohr des nächtlichen Lauschers) allmählich anschwoll, näher kam, ohne dass ich sagen konnte, von woher und wohin und dann abrupt endete.
Züge in der Nacht
rauschen geisterhaft heran –
verschluckt vom Tunnel
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(Nachweis zum Zitat: Hermann Hesse, »Sommerabend vor einem Tessiner Waldkeller«.
In: Hermann Hesse, Die Gedichte. 2. Band; Ffm: Suhrkamp Verlag, 1977; Seite 579.)