Ruth Franke (in: Sommergras86)

Schwerelos gleiten

erster Tag im Jahr
die Uhren im Hallenbad
stehen geblieben

Vater war ein guter Schwimmer, auf seinem Rücken fühlte ich mich sicher.
Der Lünischteich, ein naturbelassener Badeplatz mitten im Grünen, hatte kein klares Wasser. Wenn ich die Hände von Vaters Nacken löste und planschte, spürte ich manchmal Wasserpflanzen. Doch nichts, was in der Tiefe lauerte, konnte mir etwas anhaben. Später, in meinen Träumen, versuchte ich allein, den Teich zu erreichen, aber Schlingpflanzen hielten

die Augen schließen
schwimmen im See der Jugend
bis zum Beckenrand

Verwunschen der Waldsee im kleinen Harzdorf, das unserer Schule im letzten Kriegsjahr Zuflucht bot. In mondhellen Nächten schlichen sich die Mutigen hinaus zum Wald. Märchen und Sagen begleiteten den Weg, Undine hatte ihren Zauber noch nicht verloren. Nur ein kurzes Bad im kühlen Wasser, dann rannten wir heim.

Nebelschwaden
hinter der Glasfront
Tannenschatten

Am Morgen war der Glaswaldsee ohne Schatten, kein Holländermichel trat aus dem Dickicht, kein Glasmännlein turnte auf einer hohen Schwarzwaldtanne. Ich hatte den See für mich allein, schwamm weit hinaus und ließ mich treiben, über mir nur Tannenwipfel und Himmel…
Da werde ich unsanft nassgespritzt und gestoßen. Kinder springen vom Beckenrand, tauchen, kämpfen miteinander. Eine Schulklasse lärmt.

Ich flüchte.
schwerelos gleiten
neugeboren als Fisch

›Holländermichel‹ und ›Glasmännlein‹ sind Symbolfiguren für das Flößer- und Glasmachergewerbe im Schwarzwald (aus: »Das kalte Herz«, Märchen von Wilhelm Hauff).

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Erscheinungsjahr: 2009

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