Christa Beau (in: Sommergras81)

Spätsommer

Der Sommer hat seinen Höhepunkt überschritten. Grillen zirpen leiser, seltener. Die Sonnenstrahlen sind weniger intensiv als im Juli, Regenwolken verdunkeln tageweise den Himmel. Doch der heutige Tag lässt den Sommer noch einmal hochleben. Ich fühle, wie die Mittagssonne in meinen langärmligen Pullover zieht. Hitzewellen steigen in mir auf. Ich spüre die Lust, meine Kleidung von mir zu streifen.
Wir sind auf dem Weg zum Weiher, der sich um eine Insel legt, in den ein Bächlein mündet. Meine Enkelkinder sind aufgeregt. Sie wollen Frösche und Grillen fangen, ihnen eine Wohnung bauen, ihre Bewegungen beobachten.
Am Rande des Weihers finden sie alles für eine Tierwohnung. Hier ist es kühl, Kiefern und Tannen spenden reichlich Schatten.

Der Duft des Waldes –
zwischen Kiefernnadeln lockt
ein Fliegenpilz

Gerd, mein Mann, setzt sich auf die Bank unter einem Baum. Dann sucht er im Wald Borke und schnitzt für Felix und Lucas kleine Schiffe mit Segeln aus Eichelblättern.
Die kleine Insel ist durch eine Brücke mit dem Wald verbunden. Mich zieht es zur Mitte der Insel. Auch hier steht eine alte Holzbank ohne Lehne, über die Regengüsse, Stürme und heiße Sonne gezogen sind.
Ich kleide mich aus und fühle die Wärme. Mit meiner Kleidung baue ich ein Kissen. Als ich liege, sehe ich nur noch den enzianblauen Himmel.
Wolken bilden Figuren, die sich ständig verändern. Ein Schaf wird zu einem langen Fisch. Aus einem Haus entsteht ein spitzer Berg, der in die Ferne zieht. Ich träume mich in die Weite des Himmels, tauche ein in ihre Leichtigkeit, in ihre Reinheit.
Sie verwehen meine Sorgen, die Traurigkeit, die manchmal wie Salz auf einer Wunde brennt.
Ich schwebe, wie ein Engel, leicht, ohne mich zu erinnern wie viel Freude und Glück die Erde geben kann, ohne mich zu erinnern, wie viel Schmerzen ein Mensch aushalten muss.
Weil ich nichts von dem Himmel mit seinen Wolken erwarte, kann ich mich ganz seiner Schönheit hingeben.
Die Gräser, die mich umgeben, schicken ihren Duft, in den sich Geruch von Pferdedung mischt. Ich fühle noch einmal das warme, seidige Fell des Hengstes, den ich lange gestreichelt habe.
Die Stimmen der Kinder verhallen. Als Felix meinen Arm berührt, mir erzählt, dass sein Boot das schnellste war und nicht ein einziges Mal umgekippt sei, bin ich wieder auf der Erde.
Ich winke Lucas zu, ermahne Felix vorsichtig am Wasser zu sein und greife zu meinem Buch. Der Erfahrungsbericht einer jungen Frau, die nach der Geburt ihres zweiten Kindes Höllenqualen erleidet, erinnert mich an mein eigenes Schicksal. Das ist längst alles von einem Schleier bedeckt und ist wie die Wolken am Himmel in die Ferne gezogen.
Ich stehe mit beiden Beinen im Leben, umgeben von der Schönheit der Natur, ihrer Einmaligkeit.

Ferienparadies –
Wolkenschlösser
im Himmelsblau

[rating_form id="4"]

Als  » DHG-Mitglied kannst du einen Daumen hoch hinterlassen. 

Erscheinungsjahr: 2008

Lorem ipsum dolor sit amet, consectetur adipiscing elit. Ut elit tellus, luctus nec ullamcorper mattis, pulvinar dapibus leo.