Rudi Pfaller (in: Sommergras84)

VergilbtesFoto

Erscheinungsjahr: 2009

Inhalt:

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Textproben, Inhaltsverzeichnisse, Bibliographische Angaben, Bezugsquellen (Nicht alle Elemente gleichzeitig vorhanden)

Péperzin steht auf der abblätternden Fassade des Bahnhofs. Ein Pole erklärte mir die Aussprache. Die erste Silbe klingt wie französisch pain, was Brot bedeutet, und die Konsonantenverbindung rz wie der Anlaut in Gelée. Wieder und wieder spreche ich das Wort vor mich hin, bis es immer vertrauter klingt.
Aus den offenen Fenstern schallt Kinderlachen, aus einem Schuppen auf dem Bahnsteig Gegacker. Die Gleise sind grasüberwachsen. Ich wende mich nach Osten, der Bahnlinie folgend. Meine Frau bleibt im Wohnmobil zurück. Diesen Weg gehe ich allein. Mein Schritt passt sich dem Abstand der Schwellen an.
Ich lasse meinen Blick über weite Äcker und Weiden schweifen. Ein Teich glänzt in der Sonne. Lange beobachte ich ihn. Vor langer Zeit soll hier jeder Hof einen Karpfenteich besessen haben, aber die Oberfläche wirft keine Wellenringe.
Schwitzend erreiche ich die Brücke, welche auf dem Zettel eingezeichnet ist, den ich aus der Tasche ziehe. Die Schwellen fehlen. Hier könnte ich nicht weitergehen, bin aber auch fast am Ziel. Ich stapfe den
Bahndamm hinunter, springe über einen nassen Graben und wende mich nach Süden. Schwarzbunte Rinder stehen im Schatten hoher Pappeln.
Zu meiner Linken wächst Schilf in einer Senke.
Die Rückseite eines Gehöfts kommt in Sicht. Das Dach des Schuppens ist am Verfallen. Der Wegkrümmung folgend gelange ich vor die Einfahrt des Anwesens. Ein vergilbtes Foto und eine Federzeichnung sollen mir
Gewissheit verschaffen. Wo stand der Fotograf? Hier, und dort saß die Konfirmandin, schwarz gekleidet, in der Mitte der Großfamilie. – Das Wohngebäude hat neue Fenster. Die alte Aufnahme zeigt kein Silo und der Pflaumenbaum fehlt, aber die Gebäudeform stimmt mit dem historischen Foto überein. Der Feldweg verläuft wie auf der Federzeichnung.
Ich bin mir sicher: Hier wuchs meine Mutter auf.
Lange stehe ich und schaue, bis eine Frau das Haus verlässt und zur Wäscheleine geht. Ich kann nicht mit ihr sprechen.
Über die Felder gehe ich zurück.

Ferner Donner –
tief eingefahren
die Spur nach Westen

Erscheinungsjahr: 2009

Rezension

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