Gemütlich sitze ich unter meiner Lieblingsbuche. Ihr Laubwerk, wie eine Kuppel gewachsen, berührt fast den Boden. Ihr Stamm teilt sich kurz über dem Boden in drei Hauptäste. Mitten auf einer Waldlichtung gelegen, erinnert sie an ein Baumheiligtum früherer Zeiten. Nahender Herbst. Leise raschelt es unter der Laubdecke zu meinen Füßen. Nur der Wind? Wenig später taucht ein Fink auf, wohl auf Futtersuche. In der Ferne das Hämmern eines Spechtes. Dann wieder vollkommene Ruhe.
Auf dem Weg längs des Waldmoores naht eine Joggerin. Die junge Frau, etwa Anfang zwanzig, keucht an mir vorbei, ohne mich wahrzunehmen. Die unvermeidlichen Stöpsel des Walkmans verstopfen ihre Ohren. Eine für mich nicht wahrnehmbare Melodie nimmt ihre Aufmerksamkeit gefangen. Als ob es hier nichts zu hören gäbe!
Meine Gedanken wandern zwölf Jahre zurück. Damals brach für mich eine Welt zusammen. Tinnitus! Das Pfeifen und Sägen in meinen Ohren wurde zu meinem treuen Begleiter. Fortan mied ich die Stille. Musik war kein Genuss mehr, sondern ein Betäubungsmittel. Ein Waldspaziergang war am besten bei Sturm zu ertragen. Im ständigen Kampf gegen den Feind in meinen Ohren war mir jede Abwechslung willkommen.
Bis vor zwei Jahren ein kleines Wunder geschah: Es wurde besser. Schritt für Schritt eroberte ich mir mein Leben zurück. Ich begann, Musik wieder zu genießen. Und die Stille, das größte Geschenk.
In der Ferne bellt ein Hund, ein Kind weint.
Die Augen schließen
Jenseits der Stille
Die Bäume wachsen hören