Zwölf Jahre sind vergangen seit meinem letzten Besuch hier. Ich streife
durch die altbekannten Gassen, suche das Gestern. Es scheint immer weniger Feriengäste nach Eisenstein zu ziehen. Einige Pensionen stehen leer, dem Verfall preisgegeben. Hüfthoch wogt ringsum das Gras.
Marodes Gasthaus
Den Verandaboden durchschoss
eine Birke
Die Fenster des Lebensmittelgeschäfts – dunkel. Von der Fassade blättert die Farbe. Ein Tante-Emma-Laden damals, der ideale Drehort für einen Krimi. Wir Kunden gaben die Statisten.
Magisch zieht es mich zum alten Bahnhof, dem Ort, wo einst die Welt endete. Durch das Gebäude verläuft die deutsch-tschechische Grenze. Ordentlich und gepflegt war früher die westliche Seite, mit einem gemütlichen Restaurant.
Der östliche Teil des Bauwerks gehörte den Ratten. Verfall im Niemandsland. „Attention, 50 meters to border“, warnte ein Schild. Es gab nur den wehmütigen Blick nach drüben bei meinem ersten Aufenthalt Anfang der Achtzigerjahre. Jeder Reisebus hielt hier. Ein Blick auf den zerschnittenen Körper. Auch eine Touristenattraktion.
Und heute? Nur noch der Bundesadler, schwarz auf gelbem Grund, sagt mir, dass ich eine Grenze passiere.
Ein paar Schritte, schon bin ich in Tschechien. Leben, Licht, wo damals Dunkelheit und Einsturzgefahr herrschten.
Alter Grenzbahnhof
frisch renoviert
Gleis frei nach Europa
In der Bahnhofshalle fühlt man sich in K. u. K.-Zeiten versetzt. Will ich heute Abend noch nach Klattau? Der Mann am Schalter verkauft Fahrkarten, noch zu später Stunde. Fremde Wortfetzen fliegen zu mir herüber.
Auf dem deutschen Bahnsteig hingegen – ein Automat. Unser altes Restaurant- bis auf Weiteres geschlossen.
Das Leben hat sich verlagert. Scheinwerfer rücken das neu eröffnete tschechische Speiselokal ins Licht. Die ausgehängte Karte lädt zum Abendessen ein, zahlbar in Kronen oder Euro. Schweinebraten mit Böhmischen Knödeln gefällig? Ich kann der Verlockung nicht widerstehen. Schon knarren die Stufen der alten Treppe unter meinen Füßen.