Brigitte ten Brink & Gabriele Hartmann, bon-say-verlag

You Want It Darker – Renhai inspiriert durch das gleichnamige Album von Leonard Cohen

Erscheinungsjahr: 2019

2019 im bon-say-verlag, handgearbeitetes Miniaturbuch, Din A6 hoch, 16 Seiten, mit Lesezeichen, 4 €, zu beziehen per E-Mail an info@bon-say.de

Inhalt:

Weitere Informationen

Textproben, Inhaltsverzeichnisse, Bibliographische Angaben, Bezugsquellen (Nicht alle Elemente gleichzeitig vorhanden)

8 Renhai
Brigitte ten Brink und Gabriele Hartmann haben sich durch Leonard Cohens Album „You Want It Darker“ zu einer gemeinsamen Dichtung im Stil des Renhai inspirieren lassen. Der jeweilige Song-Titel findet seinen Platz als erste Zeile des zweiten Verses. Der erste Autor verfasst sowohl den ersten (dreizeiligen) Vers als auch die zweite Zeile des zweiten (zweizeiligen) Verses. Danach schreibt der zweite Autor den (dreizeiligen) Abschlussvers. Auf eine Überschrift wurde bewusst verzichtet.

Erscheinungsjahr: 2019

Rezension

Rezension von Rüdiger Jung

Kein Zweifel: das letzte Album Leonhard Cohens war eines der bemerkenswertesten der letzten Jahre. Etwas Geringes haben sich die Autorinnen also keineswegs vorgenommen, als sie es zum Ausgangspunkt ihrer Renhai machten. Der Interpretationsansätze sind viele: der biographische – geht es doch um nicht weniger als das Vermächtnis Cohens. Der philosophische, theologische, zeit- oder auch kulturgeschichtliche. Weil das partnerschaftliche Lyrikwerk nicht hinter alledem verschwinden soll, möchte ich einen anderen Zugang nutzen – indem ich zwei Renhai, die mich besonders ansprechen, einer näheren Betrachtung unterziehe.

große Rochade
einer der Spieler sprengt
seine Ketten

leaving the table
stürzende Linien

das Bauernopfer
erhobenen Hauptes
abgelehnt

GH T GH BtB

Die Rochade des Königs und eines seiner Türme (je nach Entfernung kleine oder große Rochade) kann eine Sicherheitsmaßnahme im Schach sein, Winkelzug auf dem Weg zu einer sicheren Verteidigungsbastion. Die Dichtung legt eher Offensiv-Werden nahe, ein Entkommen aus der Lähmung: „einer der Spieler sprengt / seine Ketten“. Der Mittelteil „leaving the table / stürzende Linien“ lenkt die Gedanken eher in Richtung Kapitulation. Mit welch einer Würde aber vollzieht diese der Schluss: „das Bauernopfer / erhobenen Hauptes / abgelehnt“. Das „Bauernopfer“ kann die Niederlage vermutlich nicht verhindern, allenfalls herauszögern. Der König, der das „abgelehnt“ hat, tat es mit vollem Recht „erhobenen Hauptes“. Genau diese Art von Oberbefehlshabern ist, historisch gesprochen, Mangelware Nummer eins!

zu Asche, zu Staub
neben der Haltestelle
sammeln sich Kippen

traveling light
wir zählen Sternschnuppen

im Gepäck
zu viele Wünsche und die
alte Gitarre

GH T GH BtB

Die „Haltestelle“ ist kein schlechter Ort – für Innehalten, Meditation, Metaphysik. Noch der jämmerlichste Zigarettenstummel kann zum Signet werden für das biblische „Erde zu Erde“. „traveling light“ ist demnach die Conditio humana – auf der Suche nach Glück. Der „Wünsche“ sind leider immer wieder sehr viel mehr als „Sternschnuppen“. Sei’s drum, so lange sie noch spielt: „die alte Gitarre“!

Rüdiger Jung

***

Rezension von Christof Blumentrath

Am Ende einer fast 50 Jahre andauernden Karriere als Musiker erschien im Herbst 2016, drei Wochen vor seinem Tod, das letzte Album von Leonard Cohen: „You Want It Darker“.
Inspiriert durch die Songtitel dieses besonderen Albums schreiben Brigitte ten Brink und Gabriele Hartmann, ein im gemeinsamen Schreiben eingespieltes Team, zum wiederholten Lesen anstiftende Renhai. Immer wieder gelingen den beiden Autorinnen unerwartete Wendungen, abermals ist man verblüfft, wohin die gedankliche Reise geht. Ist das Renhai an sich ja bereits eine durch seine Schreib-Abfolge außergewöhnliche Herausforderung an die – in der Regel – zwei Autoren, so meistern diese beiden Dichterinnen diese Aufgabe scheinbar mühelos. Bemerkenswert insbesondere gelingt es ihnen, die immer wiederkehrenden Elemente der Melancholie und Dunkelheit, welche den Liedern Cohens anhaften, in ihren Versen anklingen zu lassen, ohne jedoch dem Ganzen ein Übermaß an Schwere zu verleihen. Vortrefflich halten sie die Balance zwischen Licht und Schatten, Leichtigkeit und Tiefgang.
Der Künstler Cohen, sowohl Musiker als auch Poet, hätte sicher seine Freude gehabt an dieser sehr persönlichen Art Hommage, als die ich dieses liebevoll gemachte Büchlein sehe.

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