Gabriele Hartmann – bon-say-verlag

ZENtrifugal – Haiga Haibun Tanka Tanbun Sequenz

Erscheinungsjahr: 2021

2021, bon-say-verlag, 57629 Höchstenbach, 64 Seiten, Hardcover, Fadenbindung, 21,5 x 21,5 cm, Naturpapier, 4/4-Farbdruck, 28 farbige Abbildungen (Haiga), ISBN 978-3-945890-44-8, Bestellungen bitte nur über den Verlag.

Inhalt:

Weitere Informationen

Textproben, Inhaltsverzeichnisse, Bibliographische Angaben, Bezugsquellen (Nicht alle Elemente gleichzeitig vorhanden)

ZENtrifugal – Haiga Haibun Tanka Tanbun Sequenz von Gabriele Hartmann

Rezension

Brigitte ten Brink
ZENtrifugal
Rezension

Gabriele Hartmann: ZENtrifugal. Haiga Haibun Tanka Tanbun Sequenz. Hardcover.
Erschienen im bon-say-verlag 2021. Zu beziehen unter info@bon-say.de

ZENtrifugal – schon die Schriftzuggestaltung des Buchtitels ist ein Hingucker. Das großgeschriebene ZEN sticht ins Auge und erweckt sofort die Assoziation an buddhistische Meditationsformen und die Neugier auf den Inhalt. Im herkömmlichen Sinn handelt es sich bei dem Begriff „zentrifugal“ um einen Terminus, der in der Physik und in der Medizin verwendet wird. Physikalisch gesehen ist die Zentrifugalkraft die nach außen gerichtete Fliehkraft von Dingen, von Körpern, von Objekten. Im medizinisch / neurologischen Bereich ist damit die Ausbreitung von Nervenfasern, ausgehend vom Nervenzentrum, in Richtung Peripherie gemeint. Und nun erscheint die erste Silbe dieses Ausdrucks in Großbuchstaben und erweitert so seine Bedeutung. Durch diese Schreibweise wird ein Aspekt dieses Begriffes besonders hervorgehoben, der bei einer rein naturwissenschaftlichen Betrachtungsweise vielleicht etwas in den Hintergrund gerät. Es ist seine philosophische, existentielle Bedeutung, die im übertragenen Sinn durchaus auch auf das menschliche Leben in all seinen Bereichen zutrifft. Hier können erstmals nur im Innern registrierte Wahrnehmungen und Geschehnisse eine große äußere Wirkung nach sich ziehen. Wenn solche einzelnen, kleinen Begebenheiten in einer so poetischen Sprache erzählt werden, wie es bei Gabriele Hartmann der Fall ist, entwickeln sie eine enorme Kraft, lassen Bilder im Kopf entstehen, stoßen Denkprozesse an.
Oft nur angedeutet, beschreiben ihre Tanka- und Tanbun-Sequenzen, die Haibun sowie die Text- und Bildgestaltung der Haiga konkrete Ereignisse. Sie implizieren jedoch immer Gedanken und Gefühle, denen der Leser sich nicht verschließen kann, die in ihm zu wachsen beginnen und die tief in sein Bewusstsein dringen. Sie ziehen ihn weiter und immer weiter in ihren Bann, ja entfalten eine regelrechte Sogwirkung, zwingen ihn zum Innehalten, zum Nachdenken, zum Überdenken und lassen ihm dann den Raum zur individuellen Ausschmückung und Interpretation des Geschehens.

GESCHRUMPFT
Tanka-Tanbun-Sequenz

in der Pubertät
begann ich Worte
Worte zu wiederholen
damit sie sich entfalten konnten
zu sinnfreiem Klang

zum Klassentreffen – nach 47 Jahren – werden nicht alle kommen … so viele Namen sind geschwärzt

gehe ich heute
durch die Gassen meiner Stadt
kommt alles kleiner
mir vor – selbst Schatten
scheinen geschrumpft

meine Wünsche? Die hehren Ziele? noch immer möchte ich Cabrio fahren

wer auch immer
wir waren – lass uns noch werden
wie wir sein wollten
damit unsere Geschichten
man einst erzählt am Kamin
(S. 12)

Dazu muss nicht viel gesagt werden – ein Entwicklungsroman in wenigen Zeilen und einer wunderbaren lyrischen Sprache, mit einem hohen Maß an Selbstidentifikationspotential.

AUF DER REISE
Haibun

„Ein weißes Hemd und eine gute Hose bitte“, sagt einer der beiden Männer. Ich habe die Hand bereits nach dem schwarzen Anzug ausgestreckt, greife dann aber zu der alten, dunkelblauen Hose, die Vater immer getragen hat, wenn wir in Urlaub fuhren. Unempfindlich und bequem. Sie scheint mir angemessen. Die hätte auch er gewählt.

einfache Fahrt
der Mann ohne Koffer
tritt ins Licht
(S. 54)

Diese ganz pragmatisch erzählte Begebenheit entfaltet beim Lesen eine unbändige Kraft. Hinter den knappen Worten erscheint die tiefe Beziehung, die zu Lebzeiten zwischen dem Verstorbenen und der / dem Hinterbliebenen herrschte. So tut sich das Universum eines Zusammenlebens auf, in dem Achtsamkeit und Aufmerksamkeit für den anderen, für seine Vorlieben und Eigenheiten selbstverständlich war. Das abschließende Haiku spricht von der Hoffnung, dass das Ende des Lebens nicht das Ende der (Lebens-)Reise sein muss. ZENtrifugal der Text und das, was er im Leser bewirkt.

Eingeteilt ist das Buch in zwei Kapitel: in Tanka – Tanbun – Sequenz und in Haibun, dazwischen im Wechsel mal auf der linken, mal auf der rechten Seite die Haiga. Im Anhang werden die Begriffe Haiku, Haiga, Haibun, Sequenz, Tanka und Tanbun erklärt und die Werkzeuge für die außergewöhnlich schöne und gelungene künstlerische Bearbeitung der Fotos genannt.

Für das dichterische Werk, die künstlerische Gestaltung und Herausgabe dieses Buches wurde Gabriele Hartmann durch die Stiftung Rheinland-Pfalz für Kultur – vertreten durch Herrn Staatsminister Prof. Dr. Konrad Wolf, Mittlere Bleiche 81, 55116 Mainz – ein Projektstudium gewährt.

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