Dagmar Westphal und Gabriele Hartmann
Unbeachtet am Wegrand
ein Frühlings-Kasen
Ouvertüre
Schneeregenschauer
begleiten den Pilgerstrom
der Uferschwalben
um schlanke Birkenstämme
gewunden ein blaues Band
noch nachtgrau mein Tag
die Tulpenwache steht stramm
vor Nachbars Kater
in Vaters Gesicht vertieft
sich sein Lächeln – geöffnet
das Album von einst:
Mondlicht streichelt Vergilbtes,
zitternde Hände.
Herbsttrompeten erklingen
beim Quellstein jener dunkle Ton
Zweiter Satz, erster Teil
Verliert sich wieder
meine Sehnsucht nach Worten
im dichten Nebel
ist etwas da, das mich trägt
und mich hält, wenn ich falle –
glänzende Augen
Schulabgänger polieren
die Stolpersteine
fliehen auf nackten Sohlen
schweigend vom Schatten umarmt
der große Zeiger
überholt sollen wir nicht
ein wenig warten?
deine Geduld am Ende
wertfrei: weder gut noch schlecht
Zweiter Satz, zweiter Teil
Gewitterstimmung
hinter dem Bollerwagen
ein Männergespräch
unbeachtet am Wegrand
häutet sich die Libelle
gekräuselter Rauch
der Kommilitone lehnt sich
entspannt zurück
seine Gedanken wandern
zu jenen fernen Hügeln
Kirschblütenlippen
die sanfte Wölbung zwischen
Himmel und Erde
im Gras liegen schauen wie
das Wolkenkuckucksheim wächst
Dritter Satz, erster Teil
Bunte Markisen –
der Eisverkäufer zurück
aus Italien
alte Jalousie lausche
dem Summen einer Vespa
zu zweit um den See –
schau nur die Haubentaucher
fassen sich ein Herz
geschmiedete Ringe
allmählich werden sie enger
Zeit sich geschmeidig
zu lösen aus frostiger
Umklammerung – jetzt
verklungen ist ihr Walzer
zum Jahreswechsel ein Hoch
Dritter Satz, zweiter Teil
Hagelsturm zerfetzt
Wintersaaten zerfleddert
Notunterkünfte
Immergrün auf Porzellan
in ihren Blicken Neugier
wie alt wie kostbar
mag es sein so genial
der Pinselstrich
gesenkte Lider … Kerzen
verbreiten Wohlgerüche
kahler Zweig klopft an
die Dachluke – Luna schließt
den Sternenvorhang
Kastanienmehl beim Herd
eine dampfende Quiche
Epilog
Nun ist sein Leuchten
schon blass – der Blätterteppich
bricht unterm Stiefel
geschützte Amphibien
ruhen am Saum des Waldes
die Dirigentin
hebt den Taktstock das Tuscheln
erstarkt zum Orkan
trocknet das triefende Haar
tanzender Wiesenkinder
weiße Azaleen
neben der Tafel … ihr Kreischen
beim Buchstaben A
Sonne sei Dank – Freude fließt
aus allen Poren: es lenzt!
Legende
Dagmar Westphal lebt und schreibt bei Celle
Gabriele Hartmann im Westerwald
Ouvertüre: F, F, F, V, H/M, H
Zweiter Satz: H, V, L, L, LV, V; S, S, V, V, F/B, F
Dritter Satz: F, V, L, L, W/V, W; W/V, V, V, H/M, H
Epilog: H, V, V, F/V, F/B, F
F= Frühling, S = Sommer, H = Herbst, W = Winter,
V = Verschiedenes, L = Liebe, B = Blüte, M = Mond
2017 im bon-say-verlag, Gabriele Hartmann,
Ober der Jagdwiese 3, 57629 Höchstenbach
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