Frank Sauer, 1952 in Perleberg geboren und in Witten aufgewachsen, studierte in Bochum Betriebswirtschaft sowie Germanistik und Geschichte in Marburg. Nach dem Referendariat in Frankfurt am Main arbeitete er als Verlagslektor in Braunschweig und lebt seitdem in Wolfenbüttel. Er malt, fotografiert und schreibt Gedichte, Kurzprosa, Haiku und Haibun. Beiträge in Anthologien, Kalendarien und Zeitschriften. 2021 veröffentlicht er seinen Lyrikband Skizzen im Gegenlicht.
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Frank Sauer
Haiku / Tanka
Spuren im Schnee
lösen sich auf am Ufer
Hundegebell
Abendsonne
eine Frau erhebt ihr Glas
drei Tische weiter
Masken, Abstand
er kommt ihren Blicken
zu nah
Im Regenschauer
über Pfützen springen
in offene Arme
So viele Filme
im Kopf – abgerissen
der alte Filmpalast
Narzissenduft
im Gartenhaus liegt der Brief
nicht abgeschickt
Rock in Venedig
Heiß, mittags, Siesta. Niemand wagt sich zu dieser Stunde auf die Straße und in die leeren Gassen fallen zuweilen Stimmen und Küchengeräusche hinter den geschlossenen Jalousien hervor. In den blauen Himmel sind Wäscheleinen quer gespannt und dann und wann huscht eine Katze aus einem Hauseingang und über die nächste Gartenmauer hinweg.
Unweit des Arsenals schallt aus einem Bäckerladen sehr laute Musik, füllt die ganze kleine Straße. Eine mir bekannte Melodie, ein warmer Klang, der ganz tief hinab geht, ganz nach unten in ein längst verlassenes Lebensgefühl, meinen Grundton anstimmt und Seelensaiten vibrieren lässt. Hitze reflektiert aus den warmen Mauern, den sandigen Farben, dem Ocker, der Stille und dann dieser satte Les Paul-Sound, erdiger Bluesrock, hart und cremig kommen die Riffs aus der Gitarre. Doch ich kann das Stück nicht einordnen, es bleibt eine Erinnerung an das elektrisierende Treiben in den Clubs, auf Partys und Konzerten viele Jahre zurück. Der Name der Band ist mir entfallen, weil die Coverversion so anders ist, die Stimme des Sängers so fremd. Er liegt auf der Zunge, will aber nicht ins Gehirn und ausgesprochen werden.
Ich betrete den Laden, kaufe zwei kleine Kuchen und frage in den wummernden Bass hinein der Bäcker nach dem Stück, das unablässig meinen Rücken mit Gänsehaut überzieht. Ohne die Anlage leiser zu stellen, dreht er sich um, nimmt eine CD-Hülle vom Regal und reicht sie über den Tresen. Den Interpreten kenne ich nicht, doch jetzt weiß ich, welcher vertraute Song mich so hingerissen hat und der Gitarrist steigt auf in meinen Olymp. A New Day Yesterday.
Kleidungsstücke
gespannt über der Gasse
Tropfen auf den Kopf