In alten Reiseführern kann man lesen, dass es ein »Apollo-Delium« auf der Insel Paros gibt. Fragt man heute danach, schütteln die meisten Einheimischen den Kopf. Nein, sie kennen es nicht. Trotzdem mache ich mich auf den Weg, der zu einem Berg führt. Er ist nicht der größte, aber man kann von hier aus die Insel Delos sehen. Wenn auf dieser Insel in früheren Zeiten die Rituale begannen, war dies das Zeichen, dass auch im Delion auf Paros die Tänze beginnen konnten.
Der Weg ist steinig und staubig. Er führt langgeschwungen den Berg hinan. Obwohl es schon später Nachmittag ist, scheint die Sonne noch stark. Es ist heiß. Ich schwitze. Aber ich stapfe tapfer weiter. Eine Frau kommt mir entgegen. Ich frage und sie nickt bejahend und zeigt wortreich auf die Spitze des Berges. Ermutigt gehe ich weiter.
Oben angekommen erfreut mich ein Blick über die gebirgige Insel, das Hafenstädtchen, das blaue Rund der Ägäis, die anderen Inseln, die grau und majestätisch aus dem Meer ragen.
Dann sehe ich mich um. Die Bergkuppe ist kahl und steinig. Gehe ein paar Schritte. Entdecke das Heiligtum. Ein verlassenes Areal, mit Gras überwachsen, von Draht umzäunt. Steine und Blöcke liegen verstreut herum. Einige wurden aufgerichtet. Ihre Zerklüftungen erinnern an Löwen- und Stierköpfe. Andere wurden aufgeschichtet. Eine Andeutung von Altarblock. Der Wind bläst heftig. Man meint Choralsätze zu vernehmen, Gesänge und Hymnen. So sind sie wohl damals erklungen, bei den uralten Festen, als die Mädchen ihre Puppen opferten und Apollo gefeiert wurde.
Ich umkreise ehrfürchtig die Stätte. An einer Seite der Steinmauer entdecke ich eine Plastikflasche. Grauweiß, zerbeult, hingeworfen. Bei näherem Hinschauen erblicke ich einen Bund von blauen Disteln, der Gebet – eine Fürbitte – eine Danksagung? Ich pflücke ein paar hohe braungelbe Grashalme und stecke sie dazu. Richte den Strauß auf.
Sammle einige Steine, beschwere die Vase mit ihnen. Der Wind soll sie nicht wegwehen. Ich stehe lange vor dieser Motivgabe.
Um was ich wohl bitten soll? Mir kommt die Ballade von Schiller in den Sinn, das Gedicht über den griechischen Dichter »Ibikus«, den Götterfreund, denn … »ihm schenkte des Gesanges Gabe, der Lieder süßen Mund Apoll …«. Und weiß nun, wie mein Gebet lautet. Ja, um diese Gabe bitte ich. Tue dies. Gläubig, hoffnungsvoll dem Altar und Angebinde zugewandt.
Es ist Abend geworden. Der Wind lässt nach. Die Inseln versinken in der Dämmerung, die Lichter des Hafens leuchten auf. Ich verlasse die heilige Stätte. Wandre, mit den Worten des Dichters »am leichten Stabe« nach Parikia, »des Gottes voll.«
Apoll lacht – das Delion
verfallen, doch immer
wieder ein Lied