Sigrid Mertens (in: Sommergras74)

Heute geschlossen

Erscheinungsjahr: 2006

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Textproben, Inhaltsverzeichnisse, Bibliographische Angaben, Bezugsquellen (Nicht alle Elemente gleichzeitig vorhanden)

Abweisend wirkte das schmiedeeiserne und mit scharfen Lanzen bewehrte Tor. Als ich um die Straßenecke bog, fi el mir das weiße Schild auf. Trotzdem überquerte ich den weiten, mit knirschendem Kies bedeckten Platz.
Dann stand ich vor dem Schild und meine Befürchtung bestätigte sich: Wegen Instandsetzungsarbeiten heute geschlossen. Enttäuscht kehrte ich dem Herrschaftshaus den Rücken und lehnte ich mich an das Tor. Da spürte ich, wie es lautlos aufschwang. Ich schaute mich um, ob da vielleicht ein gebieterischer Wächter mein Eindringen verhindern könnte und folgte schließlich der unverhofften Einladung. Auf einem Trampelpfad überquerte ich die verwilderte Rasenfläche. Löwenzahn und Gänseblümchen setzten Farbtupfer ins Grün und breiteten sich auch auf den einstmals abgezirkelten Beeten aus. In der Mittagshitze waren die Vögel verstummt. Eine mir unbehagliche Stille lastete auf dem Palast und Garten. Breit angelegte Steinstufen führten auf den gepfl asterten Vorplatz, aus dessen unregelmäßigen Fugen Efeu schlängelte. Hier und da waren die Steinplatten gesprungen und abgesplittert. Wieder ein Tor, diesmal aus schwerer massiver Eiche. Seufzend ergab es sich meinem Druck und ich gelangte in eine hohe kühle Säulenhalle. Das Zwielicht verschluckte die Decke. Fliesen im Schachbrettmuster schmückten den Boden und schienen kaum beschädigt. Die mächtigen Säulen waren mit verblassenden Blumen und Ranken bemalt. Geräuschlos ging ich in die Saalmitte, breitete die Arme aus und drehte mich im Zeitlupentempo mehrmals um mich selbst.
Bestimmt war hier der Ballsaal gewesen. Ich sah plötzlich Fackeln, die rundum an den Wänden in gusseisernen Haltern steckten. Sah ihr unstetes Licht und den Ruß, der die Decke schwärzte. Musik ertönte, kichern und rascheln. Im Takt einer Sarabande schritten aus dem dämmrigen Hintergrund die früheren Bewohner dieses Palastes auf mich zu, fassten sich an den Händen, zu einer Polonaise vereint. Im flackernden Schein der Fackeln huschten ihre Schatten an den Wänden entlang und verloren sich in der Deckenwölbung. Seidenkleider rauschten, Füße schlurften im Sarabandenschritt über den Steinboden. Die Gesichter waren hinter Masken verborgen und sie kamen geradewegs auf mich zu. Schon glaubte ich, das schwere Parfüm der Damen, vermischt mit dem Geruch puderbestäubter Perücken, zu riechen. Ein Mann, hochgewachsen und stolz, löste sich aus der Gruppe, streckte mir seine Hand hin und durch die Schlitze seiner Maske blitzten dunkle Augen.
Unsanft wurde ich an der Schulter gerüttelt: »Was machen Sie hier?
Heute ist geschlossen!« Noch ganz gefangen in meinem Traum packte ich den widerstrebenden Wächter und, die Musik in meinem Ohr, walzten wir hinaus ans Tageslicht.

Perücken, Puder.
Ein verwunschener Tanz. So
Grell das Sonnenlicht.

Erscheinungsjahr: 2006

Rezension

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